Schulgeschichte des Vilstals mit Schwerpunkt auf Vilsbiburg, Frontenhausen, Reisbach und Adldorf

Unter Verwendung eines Artikels aus dem Buch
Die Stadt Vilsbiburg und ihr 100-jähriges Heimatmuseum;
Schulwesen und Schulgeschichte in Vilsbiburg (Willi Thume)

1231 gibt es bei den Zisterziensern in Aldersbach eine gut besuchte öffentliche Schule für Buben und Mädchen!

1467 wird in Frontenhausen der erste Schulmeister erwähnt, 1469 heißt ein „Schulmaister“ in Vilsbiburg Leonhard Pfalldorfer. Schätzungen gehen davon aus, dass im 15. Jahrhundert etwa ein bis zwei Prozent der Erwachsenen im deutschsprachigen Raum lesen können.

1627 gibt es in Reisbach urkundlich eine Schulstiftung.

1654 musste ein Lehrer in Vilsbiburg vor der Anstellung zunächst ein Bürgerrechtsgeld von 2 fl. bezahlen und einen ledernen Feuereimer liefern, um als „Bürger und Schulmaister“ angenommen zu werden. Dieser Johann Oelmak ging aber ziemlich dem Trunke nach, außerdem wurde ihm Unfleiß bedeutet und er war für die Jugend kein Vorbild. Dabei sollte der Schulmaister nach den Gottesdiensten auch „raupisch" in den Gottesdiensten sich aufführende Jugendliche anschließend gebührend bestrafen und eigentlich ein Vorbild sein.

1654 heißt es weiter: „Kinder von 8–12 Jahren müssen auch von den Eltern in die Schule geschickt werden und dürfen nicht auf der Gasse herumlaufen, wo sie nichts als unanständige Händel sehen“. Da zu jener Zeit das Schulegehen aber „in das Belieben der Eltern und Kinder gestellt war“, war es schwierig, diesen Anordnungen gerecht zu werden. Schätzungsweise maximal 10 Prozent der erwachsenen Deutschen können im 17. Jahrhundert lesen.

In Frontenhausen musste der Lehrer Schreiner 1766 96 Kinder in einer Klasse unterrichten. Da dieser Lehrer nicht rechnen konnte, musste der Organist den Mathematikunterricht erteilen.

Zwar erließ Kurfürst Maximilian III. 1771 mit aller Schärfe einen Erlaß, dass alle Kinder ohne Ausnahme eine Schule besuchen müssen, soweit sie keinen Privatunterricht erhalten (nach Steinberger, Geisenhausen). Aber Spirkner zitiert einen Bericht aus Vilsbiburg: „Vor allem fällt auf, die geringe Anzahl der Schulkinder: 1788 88; und von 1789 weg abwechselnd von 147 bis zu 127 auf abfallend 67 im Jahre 1794."

Standesunterschiede gab es bei den Schulgängern nicht, nur „Schulwillige“.
Auch die Zahl der teilnehmenden Buben und Mädchen war sehr unterschiedlich. So waren es nach einer von Spirkner benannten Schülerliste einmal lediglich 24 Mädchen von insgesamt 61, während es 1789 17 Knaben und 30 Mädchen waren. Wie unterschiedlich auch die Teilnehmerzahl der Schüler war, geht daraus hervor, dass es ein Jahr vorher, also 1788, um 41 Schüler mehr waren, deren Teilnahme an der Schule von Spirkner allerdings bezweifelt wurde. Eingeteilt waren sie in 3 Klassen.

Nach Spirkner gab „Schullehrer Josef Thani in Byburg“ 1792 u.a. folgenden Bericht:
„Wenn eine kurf. Löbl. Schulkommission keine andere Ordnung treffen oder schärfere Anbefehlung den Eltern gegeben wird, wird diese Schuleinrichtung wenig oder gar nichts fruchten und in Bälde wieder aufhören...“.
Spirkner sah darin einen Beweis für die Ablehnung eines Schulzwangs. Hans-Christof Kraus schätzt, dass um 1800 im deutschsprachigen Raum etwa 25 Prozent der Erwachsenen lesen können.

Die Einführung der staatlichen Schulpflicht in Bayern erfolgte ab 23.12.1802 und zwar gegen den Willen großer Bevölkerungskreise. Die Eltern hatten nämlich hierfür Schulgeld zu bezahlen. In Frontenhausen gingen jetzt 150 Schüler in eine Klasse und wurden von einer Lehrkraft unterrichtet. 1815 erfolgte die Teilung in zwei Klassen.

Bis 1919 unterstanden die Schulen in Bayern und damit auch die in Vilsbiburg der geistlichen Schulaufsicht. Ab diesem Jahr besass die örtliche Schulaufsicht an Stelle des Ortspfarrers nun einen Lehrer als weltlichen Schulleiter, der von der Regierung ernannt wurde.

1810 bekommt der Lehrer in Oberhausen von den Schülern 1 Gulden 8 Kreuzer jährlich als Schulgeld.

1817 wurde in Vilsbiburg ein neues Schulhaus für Knaben und Mädchen erbaut.

1824 wird ein Notenbuch eingeführt. Täglich sollen darin Leistungen der Schüler eingetragen werden.
0 = sehr gut, 4 = sehr schlecht. Dieses Notenbuch muss bei der Prüfung vorgelegt werden.


Adldorfer Schulzeugnis der Königl. Local. Schul Inspektion vom 13. Juli 1840 mit der Erlaubnis zum Übertritt aus der Werktags- in die Feyertagsschule.


Die Feiertagsschule mit Christenlehre fand meist nach dem sonntäglichen Hauptgottesdienst statt und dauerte 2 1/2 Stunden. Sie endete mit dem 16. Lebensjahr

Seit 1841 sind Arme Schulschwestern in Reisbach an der Mädchenschule tätig. Die Alphabetisierungsrate der deutschen Bevölkerung liegt jetzt bei etwa 40 Prozent.

Ab 24. 4. 1853 wurden auf Betreiben des Marktes Vilsbiburg bzw. des Pfarrers Dr. Josef Neumeyer die Armen Schulschwestern auch in Vilsbiburg eingeführt. Sie erhielten das Haus des Benefiziums St. Achatius (Kirchenweg 1) als Mädchenschule mietweise überlassen. Vier Schwestern übernahmen eine zweiklassige Volksschule mit Handarbeitsschule, der sogar ein kleines Internat mit Kindergarten angegliedert war. Seit 1853 unterrichten die Armen Schulschwestern auch die Mädchen in Frontenhausen, zunächst gegen den Widerstand des Magistrats. .

Adldorfer Zeugniß über die Entlaßung aus der Sonn- und Feiertags Schule und dem damit verbundenen öffentlichen Religionsunterricht vom 6.6.1871

Um 1870 können ca. 75 Prozent der erwachsenen Deutschen lesen.

Klassenfoto des Schuljahres 1882/83 in Adldorf:
Lehrer Förstl mit 47 Schülern
(Slg. H. Hagn)

1896: Es finden regelmäßig Lehrerkonferenzen auf Bezirksebene statt.

Einladung ausschließlich männlicher Lehrkräfte zur Landauer Bezirkskonferenz 1896
(Landauer Bote vom 22.9.1896)

Knabenklasse 1897 in Vilsbiburg mit 54 Schülern
(Aufnahme Heimatmuseum Vilsbiburg)

Öffentliche Bekanntgabe der Prüfungstermine im Landauer Boten vom 24.3.1896

Um 1900 erfolgen die Schulabschlussprüfungen mündlich, sowie in Rechtschreiben, Aufsatz und Rechnen schriftlich.
Am Prüfungstag erscheint der Lehrer im schönsten Anzug mit Stehkragen, die Kinder kommen in Sonntagskleidung mit Strümpfen und Schuhen. Die Zahl der Lesekundigen in Deutschland liegt jetzt bei rund 90 Prozent.

Schönschreibübung eines 10jährigen in Adldorf am 4.1.1912

Adldorfer Schluß-Zeugnis zur Beendigung der siebenjährigen Werktagschule vom 4.3.1916
(Slg. H. Hagn)

Beispiel einer Rechenaufgabe im Kriegsjahr 1917 für die Abschlussprüfung der Feiertagsschule:
Zum Ausheben eines Schützengrabens brauchen 500 Mann 9 Stunden. Wie lange müssen 300 Mann an einem doppelt so langen Graben arbeiten?

Mädchenklasse 1919 in Vilsbiburg
(Aufnahme Heimatmuseum Vilsbiburg)

Seit 1919 sind Lehrer Staatsangestellte.

Klassenzimmer der Knabenschule Reisbach 1929
(Aufnahme Markt Reisbach)

Öffentliche Bekanntgabe des Termins der Abschlussprüfung der Volkshauptschulen des Schuljahrs 1931/32
(Veldener Zeitung vom 2.2.1932)

Grundl in Velden annonciert seine Grundausstattung für das neue Schuljahr 1932/33.
Das neue Schuljahr begann damals nach den Osterferien.
(Veldener Zeitung vom 3.4.1932)

Fleißbildchen der Mädchenschule Vilsbiburg ca. 1934
(Slg. E Przybilla)

Ein Klassenfoto von 1935 aus Reisbach zeigt den Organisationsgrad der Hitlerjugend:
Die außerhalb Reisbachs wohnenden Kinder können nicht zu den Treffen kommen und tragen keine Uniform
(Aufnahme Markt Reisbach)

Griffelschachtel Adldorf ca. 1935
(Slg. X. Niedermaier)

Ideologische Schulung beim Abschluss der Volkshauptschule 1935: Hat einen Auszug a. d. Versailler Vertrag erhalten

Der Sonntagsunterricht wurde 1936 eingestellt.

Am 2. November 1936 wurde den Ehrw. Schwestern Vilsbiburgs der Abbau aller klösterlichen Lehrkräfte aus den Volksschulen bekannt gegeben. Die Armen Schulschwestern mussten ihre Wohnung im Schulgebäude räumen. An ihre Stelle setzten die neuen Machthaber fünf weltliche Lehrerinnen.

1938 wurden in Frontenhausen gemischte Klassen eingeführt, Knaben und Mädchen wurden wieder gemeinsam unterrichtet. Grundlage hiefür war eine Abstimmung zugunsten einer deutschen Gesamtschule. Das 8. Schuljahr wurde eingeführt.

1938 gibt es eine eigene Zeugnisote im Fach Völkischer Unterricht.
(Slg. FFW Adldorf)

Die Armen Schulschwestern in der Zeit des Exils 1937.
Gründerin der Kongregation ist eine Oberpfälzerin (Maria Gerhardinger).
Unterstützt von König Ludwig I. gründete die Ordensgemeinschaft
Niederlassungen in ganz Europa und in Übersee.
(Aufnahme Heimatmuseum Vilsbiburg)

Während der Zeit des Berufsverbots der Armen Schulschwestern kamen viele von ihnen aus den Städten in die ländlichen Konvente, da hier die Lebensbedingungen besser waren.
Hier bei der gemeinsamen Gartenarbeit in Reisbach
(Aufnahme Markt Reisbach)


Aus Notizen einer Vilsbiburger Armen Schulschwester zum Schuljahr 1938/39:
vom oberen 4. Knabenschuljahr an gehören sämtliche Schüler dem deutschen Jungvolk an und von den 188 Mädchen 118 den Jungmädchen.
„Stadtjugend hilft dem Landvolk“: Über 200 Schulkinder wurden bei der Kartoffelernte eingesetzt.

Die älteren Schüler schrieben bis in die Fünfzigerjahre mit Tinte aus dem Tinterfaß, Federhalter und Stahlfeder:

Verpackungstütchen für Brausefedern mit dem eingängigen Werbeslogan und dem Hahn als Firmenlogo
(Vilsbiburg, Sachenbacher, 1939)
(Slg. E. Przybilla)

Federhalter aus Adldorf, der kleine mit einer Brausefeder (um 1945?)

Kalligrafiefeder um 1960 aus Vilsbiburg, Marke Heintze & Blanckertz
(Slg. E. Przybilla)

In Vilsbiburg mußte ab Samstag den 17. Februar 1940 die Schule wegen Kohlemangels vorübergehend geschlossen werden.

Vom 9.–14. Februar 1942 sowie vom 19.– 28. Februar war die Volksschule wegen Kälteferien geschlossen.

Vom 27. September bis 2. Oktober 1943 waren in Vilsbiburg Kartoffelferien. Die Schüler und Schülerinnen der oberen 4. Klasse wurden an den Nachmittagen zur Kartoffelernte eingesetzt.

1943/44 kam dazu eine Hamburger 3. Klasse mit 40 Schülerinnen, geführt von einer Hamburger Lehrerin.

Von den Schülern aus luftbedrohten Gebieten waren hier aus: Hamburg: 11; München: 39; Nürnberg: 2;
Wien: 2; andere Orte: 22 = Gesamtzahl 76

1944/45 begannen die Weihnachtsferien am Montag den 18. Dezember 1944 und zogen sich bis Ende Januar hin. Wegen Kohlenmangels konnte der Unterricht nicht in vollem Umfang aufgenommen werden. Es fanden in den Wintermonaten Februar und März alle zwei Tage für jede Klasse Unterrichtsappelle statt, die meist je nach Temperaturverhältnissen ein bis zwei Stunden dauerten und in denen den Schülern und Schülerinnen Hausaufgaben gegeben und die gefertigten Aufgaben durchgesehen wurden. In diesen Appellen wurden darüber hinaus der Jugend die Entwicklung der Lage an den Fronten und der Stand des Freiheitskampfes unseres Volkes zum Erlebnis gemacht.

Mitte Februar 1945 musste das ganze Knabenschulhaus für Zwecke der Wehrmacht zur Verfügung gestellt werden. Als
dann die Rückführung der Bevölkerung aus dem Osten eingesetzte, wurde ein Teil des Mädchenschulhauses als Altersheim benützt,

Kurze Zeit vor Ostern 1945 zog die Wehrmachtsabteilung aus dem Knabenschulhaus ab.
Hierdurch wurden zunächst wieder zwei Schulsäle in diesem Schulhaus für die Schule frei. Nach den Osterferien, die von 29. März bis 2. April dauerten, stand das ganz Knabenschulhaus wieder für die Unterrichtserteilung zur Verfügung.
Das Mädchenschulhaus war jedoch ganz von der Schule geräumt worden.
In den fünf Schulsälen der Knabenschule war es nun möglich, in jeder Unterrichtsabteilung wöchentlich vier bis fünfmal einen zwei bis dreistündigen, manchmal auch vierstündigen Unterricht zu erteilen, soweit Fliegeralarm dies
nicht verhinderte.

Die Zahl der Schüler(innen) an der Schule wuchs ab Februar von Woche zu Woche. Aus den Ostgebieten kamen zusätzliche Kinder in die hiesige Schule. Am 15. März 1945 waren aus luftbedrohten Gebieten 128
Schüler(innen) in der Vilsbiburger Volksschule.

Gemäß einem Bericht des Schulrektors vom 22. April 1945 fand der Unterricht der Volksschule Vilsbiburg in Gasthäusern statt:
Im Cafe Lechner.
in der Gastwirtschaft Kufner,
im Gasthaus Klötzl
im Gasthaus Busch,
im Gasthaus Häglsperger,
im Gasthaus Betz,
im Falle von Fliegeralarm wurde der Unterricht unterbrochen.

Mit dem Einmarsch der Amerikaner am 1. Mai 1945 begann eine Unterrichtsunterbrechung bis zum September 1945.

Am 1. September 1945 nahmen dann hier zuerst die Klassen 1 bis 4. Die Schüler der Klassen 5 bis 8 hatten erst am 8. Januar 1946, nun in ihren angestammten Schulgebäuden, zu erscheinen.

Die Schülerzahl war durch Flüchtlingskinder bis zu Klassenstärken von 60–70 und mehr Schülern sehr stark angewachsen. Teilweise mussten die Schüler auf Fensterbrettern Platz nehmen.

1947 wird das "Zölibat" für Lehrerinnen aufgehoben, sie dürfen jetzt auch nach der Heirat weiter unterrichten (aus: 150 Jahre BLLV Niederbayern)

Ab 1948/49 erhielten die nicht katholischen Kinder (damals gab es noch die Bekenntnisschule) eine extra Schule im „Johannis-Kinderheim.“ Knaben und Mädchen hatten hier gemeinsam Unterricht im Gegensatz zur katholischen Knaben- und Mädchenschule, welche wie vor und während des Krieges, getrennt Unterricht hatten.

Zu den Besonderheiten der neuen Schulära nach dem Krieg gehörte eine „Neue Form der Gesundheitsvorsorge“,
die tägliche Einnahme eines Löffels Lebertran. Zu dieser „Gesundheitsvorsorge“ gehörte auch die Ausgabe der „Schülerspeisung“ von 1947–1951, die in Vilsbiburg im „Gsellenhaus“ verabreicht wurde. Im Landkreis Vilsbiburg allein waren hier Ende 1950 21 Kochstellen eingerichtet, die täglich Tagesportionen verteilten.

Klassenzimmer 1954 in Oberhausen
(Slg. J. Straßenberger)

Altes Klassenzimmer, aufgestellt im Museum der Oldtimerfreunde in Thal;
es entspricht dem Einrichtungsstand bis in die 1950er Jahre
( Oldtimermuseum Thal 48.407664,12.085612 - Google Maps )
(Aufnahme Museum Oldtimerfreunde D. Neumaier)

1953 wurden in Frontenhausen Knaben und Mädchen wieder getrennt, 1967 erneut zusammengelegt. 1972 verlassen die Armen Schulschwestern Frontenhausen.

1968 wird die staatliche Konfessionsschule abgeschafft.


zuletzt geändert am 23.11.2019, 19:33

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